»JB« StraubelTesla-Mitgründer kauft deutschen Batterierecycler
Jeffrey Brian Straubel war bei Tesla der stille Tüftler hinter dem schillernden Chef Elon Musk. Mittlerweile hat er mit Redwood Materials selbst ein großes Unternehmen aufgebaut – das nun nach Deutschland drängt.
VonAlexander Demling
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Im globalen Elektroautoboom der vergangenen Jahre spielte Jeffrey Brian »JB« Straubel eine ähnlich wichtige Rolle wie sein weit berühmterer, jahrzehntelanger Geschäftspartner Elon Musk. Straubel arbeitete schon für Tesla, als Musk als Investor zu dem Elektroauto-Start-up stieß – und er prägte dessen Aufstieg zum wertvollsten Autokonzern der Erde lange Zeit mit.
Hinter dem bombastischen Musk war Straubel in diesen Jahren der stille Tüftler und Technologievorstand, der Teslas Batterien, Elektroantriebe und Fabriken zu den führenden der Industrie weiterentwickelte. Dafür darf sich Straubel wie Musk heute Tesla-Mitgründer nennen, was der Konzern 2010 sogar gegen dessen ursprüngliche, mit Musk zerstrittene Gründer gerichtlich durchgefochten hat.
2019 verließ Straubel Tesla, um sich mit seinem Unternehmen Redwood Materials der Lösung eines neuen Problems zu widmen, das er maßgeblich selbst geschaffen hat: dem Recycling von Batterien, insbesondere den matratzenförmigen Batteriepacks von Elektroautos. Eine Fabrik betreibt Redwood bereits in den USA, zwei weitere baut das Unternehmen derzeit.
Nun expandiert er mit Redwood nach Deutschland. Das Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Nevada kauft den hiesigen Batterie-Recycler Redux Recycling und dessen Werk in Bremerhaven mit 70 Mitarbeitern, in dem pro Jahr bis zu 10.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien zerlegt werden können. Laut Straubel ist es damit die größte solche Anlage in Europa. Bislang gehört Redux dem österreichischen Recyclingunternehmen Saubermacher. Zum Kaufpreis sagen die beiden Firmen nichts.
Nur ein Teil des Kreislaufs in Deutschland
Straubel spricht seit mehr als zwei Jahren darüber, nach Europa expandieren zu wollen. »Wir haben mit praktisch jedem Batterie-Recycler in Europa gesprochen, und dieses war das ideale Projekt«, sagte der Redwood-Chef nun dem SPIEGEL. Dass er eine existierende Fabrik kauft, statt eine eigene zu errichten, habe vor allem Zeitgründe: »Wir haben die Lieferketten, alle Maschinen und Genehmigungen, um sofort loslegen zu können.« Gerade Letztere seien in Deutschland schließlich ein Dauerthema.
Die hohen Energiepreise in Deutschland ließen den Tesla-Alumnus zeitweise mit der Idee flirten, ein neues Batterie-Recyclingwerk in Skandinavien zu errichten. Anderswo in Europa zu investieren sei auch jetzt noch nicht vom Tisch, sagt Straubel. Das Werk in Bremerhaven decke den weniger energieintensiven Teil des Recyclings ab, die Zerkleinerung in sogenannte Schwarzmasse.
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Um diese unter hohem Energieeinsatz zu Anoden- und Kathodenmaterial für neue Batterien weiterzuverarbeiten, will Redwood künftig noch weitere Werke in Europa betreiben. Das Ziel, so Straubel, sei ein geschlossener Kreislauf, der den Import kritischer Batteriemineralien wie Nickel oder Kobalt aus Krisenregionen verringert.
Für Bremerhaven spreche die Nähe zum Hafen, um per Schiff ausgemusterte Batterien aus ganz Europa importieren zu können. Und die zur deutschen Autoindustrie natürlich. VW baut derzeit eine Batteriefabrik in Salzgitter, das rund 250 Kilometer südöstlich von Bremerhaven liegt. Laut Straubel müssen seine Recyclinganlagen im Radius von 1000 Kilometern um die Autofabriken liegen, damit das Recycling ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll ist. Mit dem Standort Bremerhaven erreicht er bei diesem Radius Werke in Frankreich, Belgien oder Schweden – und jedes in Deutschland.
Kriegskasse mit Milliarden Dollar
Auch Teslas Gigafabrik in Grünheide liegt innerhalb der 1000 Kilometer. Obwohl Straubel bei seinem alten Arbeitgeber seit Mai im Aufsichtsrat sitzt, geht er mit Redwood eher auf Distanz. In den USA arbeitet der Recycler unter anderem mit Toyota und Volkswagen zusammen, nicht aber mit Tesla. Sein zweites Werk baut Redwood derzeit für 3,5 Milliarden Dollar in South Carolina, im Dunstkreis der US-Werke von BMW, VW, Mercedes und fernab von Teslas Gigafabriken in Kalifornien und Texas. Diese »umgekehrte Gigafabrik«, wie Straubel sie nennt, soll einmal Batterierohstoffe für eine Million E-Autos liefern.
In Deutschland drängen Großunternehmen aus verschiedenen Richtungen in den vielversprechenden Markt: Autobauer wie VW wollen einen Teil der Batterien aus ihren alten E-Autos selbst wiederaufbereiten, auch angestammte Recyclingkonzerne wie Umicore, Rohstoffriesen wie Glencore oder der Chemiekonzern BASF haben Interesse.
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Dieses Elefantenrennen machte den Redwood-Deal überhaupt erst möglich: Saubermacher, ein österreichischer Entsorger in Familienhand, verkaufte lieber an den US-Partner, statt sich mit den absehbar gewaltigen Investitionen in den Konkurrenzkampf zu stürzen. Redwood hat dagegen eine volle Kriegskasse: Im August hat das Unternehmen eine Milliarde Dollar Investmentkapital erhalten, unter anderem von der Investmentbank Goldman Sachs. Dazu kommt ein zwei Milliarden Dollar schwerer Kredit des amerikanischen Energieministeriums.
Zudem sieht sich Redwood als Technologieführer. In Bremerhaven will Straubel etwa automatisierte Verfahren einführen, um die Batterien schneller nach ihrer chemischen Zusammensetzung klassifizieren und sortieren zu können. Das ist schon deshalb notwendig, weil es in den ersten Jahren gar nicht genügend ausgemusterte E-Auto-Batterien geben wird. Bis dahin könne Redwood das Werk mit einem höheren Anteil mittelgroßer Batterien, zum Beispiel aus Elektrowerkzeugen, auslasten.
Eines schließlich hat Deutschland seinem Heimatland USA voraus: »Die Batterien werden hier häufiger von den Entsorgern wieder eingesammelt«, sagt Straubel. »Das Bewusstsein für Recycling ist in Europa einfach höher«.